ORANGER FALL

Ein 58-jähriger Mann mit Typ-2-Diabetes wird an einen Diabetologen mit einem Ulkus über dem lateralen MTK V überwiesen.

Das DFU besteht seit 2 Monaten und ist höchstwahrscheinlich auf ein Trauma durch unpassendes Schuhwerk zurückzuführen.

Während der Vorstellung fiel eine Dyspnoe auf, anamnestisch Zustand nach Myokardinfarkt vor 4 Jahren.

ZIEL
  • Ein interaktives Fallszenario zur Verfügung stellen, welches die medizinische Fachkraft durch einen Beispielfall eines komplizierten diabetischen Fußulkus (DFU) führt 

  • die Notwendigkeit eines ganzheitlichen Ansatzes zu bestärken 

  • die Notwendigkeit bestärken, die Behandlungsstandards in der Versorgung des DFU zu berücksichtigen 

  • die Notwendigkeit einer frühen Überweisung zu einer spezialisierten ambulanten Fußbehandlungseinrichtung oder einem stationärem multidisziplinären Fußbehandlungsteam zu bestärken 
2. Anamnese

Welche Angaben in der Anamnese würden Sie beunruhigen? 

Der rapide Abbau innerhalb von 48 Stunden? Ja /Nein

korrekte Antwort :

Nein: Der Fuß zeigt eine langsame Beeinträchtigung in den letzten 5-7 Tagen ohne Fieber oder systemische Anzeichen einer Sepsis

Schmerzen im Fuß trotz der Möglichkeit einer peripheren Neuropathie? Ja / Nein

korrekte Antwort :

ja: Solche Schmerzen bei einem Patienten mit Neuropathie weisen teilweise darauf hin, dass sich Wundinfektion tiefere Gewebsschichten betrifft  

die anhaltenden Wundheilungsprobleme während der letzten 2 Monate? richtig / falsch

korrekte Antwort :

Richtig: Wir müssen herausfinden, warum der Patient nicht besorgt ist. Wahrscheinlich war das Ulkus am Anfang nicht schmerzhaft (Neuropathie; KEIN SCHMERZ= KEINE Besorgnis). Oder der Patient hat nie eine Schulung zu Fußproblemen erhalten, oder der Patient negiert die Probleme, oder er hat keinen Zugang zur medizinischen Versorgung. Durch Reflexion können wir bei einem erneuten DFU entsprechend reagieren.

Das Fehlen von Fieber ist beruhigend, weil es eine Fußinfektion ausschließt? richtig / falsch

korrekte Antwort :

Falsch: Das Fehlen von Fieber schließt eine Fußinfektion oder das Auftreten von Weiteren Komplikationen wie z. B. Minor-/Major-Amputationen nicht aus

3. Klinische Untersuchungen

Welche Faktoren aus der Patientenuntersuchung würden Sie beunruhigen?

Die Wundumgebung ist teilweise gerötet und ödematös, das Ulkus zeigt Hinweise auf eine Cellulitis und eine eitrige Sekretion. Ja/Nein

korrekte Antwort :

ja: Dies sind Hinweise auf eine signifikante Infektion.

Die Möglichkeit, den darunter liegenden Knochen mit einem stumpfen Metallobjekt durch die Wunde zu sondieren. Ja / Nein

korrekte Antwort :

ja: Dies deutet auf einen positiven "probe-to-the-bone"-Test hin, d. h. die Infektion hat sich wahrscheinlich bis auf den Knochen ausgebreitet und es besteht ein erhöhtes Risiko für eine Amputation.

Fußpulse sind nicht palpabel. Ja/ Nein

korrekte Antwort :

ja: In Ermangelung tastbarer Fußpulse erscheint eine periphere arterielle Verschlusskrankheit klinisch wahrscheinlich

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Ein Monofilament-Test ist nicht notwendig, da der Patient die Wunde nicht spürt Ja/Nein

korrekte Antwort :

Nein: Obwohl die Hypothese richtig ist, sollte ein Monofilament-Test bei jeder klinischen Untersuchung eines Patienten mit DFU durchgeführt werden.

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4.Ganzheitlicher Ansatz

Welche Punkte würden Sie während der Konsultation des Patienten erfragen?

Nachfragen, ob eine positive Anamnese für eine ischämische Herzkrankheit/Herzinsuffizienz vorliegt? Ja/Nein

korrekte Antwort :

ja. Herzinsuffizienz ist ein unabhängiger Prädiktor für Amputation und Sterblichkeit und kann das Fortschreiten des DFU beschleunigen.

Nachfragen, ob der Patient an einer Nierenerkrankungen im Endstadium leidet oder dialysepflichtig ist? Ja/Nein

korrekte Antwort :

ja.Dialyse ist ein unabhängiger Prädiktor für eine Amputation und für Sterblichkeit und kann das Fortschreiten des DFU verschlechtern. Darüber hinaus ist die Dialyse ein starker Risikofaktor für eine  periphere arterielle Verschlusskrankheit.

Gibt es noch andere Vor- oder Begleiterkrankungen, nach denen gefragt werden sollte? Ja/Nein

korrekte Antwort :

ja. Ob eine Anamnese von Bluthochdruck, Dyslipidämie und anderen chronischen Krankheiten besteht. In diesem Fall leidet der Patient an einer chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (Raucher)

Den Patienten fragen, ob er irgendwelche Symptome einer Depression hat? Ja/Nein

korrekte Antwort :

ja. Depression ist ein Risikofaktor für die Sterblichkeit bei Menschen, die sich wegen ihres ersten DFU vorstellen und alle Patienten sollten auf das Vorliegen einer Depression gescreent werden. Dieser Patient negiert die Probleme seiner Erkrankung, wahrscheinlich basierend auf einer Depression.

Einen sorgfältigen Blick auf die Medikamentenliste werfen? Ja/nein.

korrekte Antwort :

ja. Dies sollte gängige Praxis sein. Man sollte sich immer der aktuellen Medikation bewusst sein (z.B. Antikoagulantientherapie etc.), insbesondere wenn weitere Interventionen geplant sind.

Nachfragen, wie der Ernährungszustand und die Blutzuckereinstellung sind? Ja/ Nein

korrekte Antwort :

ja. Viele Patienten mit einem DFU haben eine schlechte Diabetes-Kontrolle und einen schlechten Ernährungszustand, all dies muss für eine angemessene Versorgung berücksichtigt werden.

5. Untersuchungen

Welche Untersuchungen würden Sie während der Vorstellung des Patienten durchführen?

Erhöhte Blutzuckerwerte könnten ein Zeichen für eine körperliche Belastung oder Infektion sein. Richtig / falsch

korrekte Antwort :

Richtig: die Körpertemperatur (muss gemessen werden) muss nicht erhöht sein und erhöhte Blutzucker können ein Zeichen für eine Fußinfektion sein

Eine Bestimmung von Entzündungsmarkern und Markern der metabolischen Kontrolle sowie weiterer Werte ist angebracht. Richtig / falsch

korrekte Antwort :

Richtig: bei jedem Patienten mit einem DFU sollte ein vollständiger Status inklusiver einer Beurteilung der metabolischen Kontrolle, Entzündungsmarker (obwohl dies nicht in jedem Fall einer Infektion auffällig seien müssen), Nierenfunktionswerten und Markern für das kardio-vaskuläre Risiko (z.B. LDL-Cholesterin) erhoben werden.

Ein Röntgenbild zur Untersuchung auf Osteomyelitis ist nicht erforderlich, da in diesem Fall der « probe-to-the-bone“ Test nicht positiv war. Richtig / falsch

korrekte Antwort :

Falsch: In der Gesamtbetrachtung des Fußes liegt hier eine schwere Infektion vor, die Wunde ist seit 2 Monaten vorhanden. Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Osteomyelitis auf den Röntgenaufnahmen sichtbar ist, ist ziemlich hoch.

Gewebeproben für die Mikrobiologie dürfen nicht entnommen werden; besser ist es, sofort mit einem Antibiotikum zu beginnen. Richtig / falsch

korrekte Antwort :

Falsch: Obwohl eine Gewebeprobe benötigt wird und sehr nützlich sein könnte, sollte die Einleitung der antibiotischen Therapie hierdurch nicht verzögert werden. Die Entnahme einer Gewebeprobe ist sehr aussagekräftig,  erfordert aber eine korrekte Technik. (siehe Link zu unserer PowerPoint-Präsentation zum Thema Infektion auf e-footcare).

6. Klinischer Eindruck & Behandlungsplan

Wie ist der Gesamteindruck und wie ist der Fall zu behandeln.

Dieser Fall eines DFU benötigt eine frühzeitige Überweisung an ein spezialisiertes Fußbehandlungsteam. Richtig / falsch

korrekte Antwort :

Richtig ist: Dieser Patient muss frühzeitig in einem Krankenhaus gesehen werden, wo er weiter untersucht wird und alles für den Erhalt der Extremität getan wird.

Der Patient sollte angehalten werden, so schnell wie möglich eine Gewichtsbelastung auf dem ulzerierten Fuß zu vermeiden. Richtig / falsch

korrekte Antwort :

richtig: sobald eine Ulzeration vorliegt, sollte eine sofortige Druckentlastung erfolgen und hierfür spezifisches Schuhwerk für die akute Erkrankungsphase verschrieben werden.

Als behandelnder Arzt müssen Sie sicherstellen, dass der Patient frühzeitig von einem spezialisierten Fußteam behandelt wird, um sicherzustellen, dass eine spezifische Behandlung so schnell wie möglich eingeleitet wird. Richtig / falsch

korrekte Antwort :

Richtig: Es ist wichtig, die Notwendigkeit einer frühzeitigen Behandlung der Infektion zu betonen, einschließlich eines dringlichen chirurgischen Debridements, Röntgen des Fußes, Überprüfung der Gefäßversorgung des Fußes und der Behandlung von Begleiterkrankungen. Ein persönlicher Kontakt wird dazu beitragen, dass der Patient frühzeitig gesehen wird. Dieser Kontakt kann Ihnen auch helfen, eine entsprechend antibiotische Therapie zu wählen, angepasst an regionale Resistenzlagen. In den meisten Fällen wird ein Aminopenicillin mit einem beta-Lactam Inhibitor die erste Wahl in der Behandlung von solchen Ulzerationen sein.

Die Wahl eines modernen Wundverbandes ist wichtig. Richtig / falsch

korrekte Antwort :

Falsch. Nicht in dieser Phase der Behandlung. Wichtig ist eine dringende Kontrolle der Infektion. Die Kontrolle der Infektion

ist am dringlichsten zu sehen.

Klinische Diagnose : Infiziertes-ischämisches diabetisches Fußulkus bei einem Patienten mit Herzinsuffizienz

KOMPLIZIERTES DIABETISCHES FUSSULLKUS

7.Diagnose und Wundklassifizierung

Was ist Ihre endgültige Diagnose und versuchen Sie, dieses DFU nach SINBAD-Klassifikation zu klassifizieren

ein neuropathische Ulkus? ein infiziertes neuropathische Ulkus? ein infiziertes neuro-ischämisches Ulkus?

korrekte Antwort :

Klinische Diagnose:

Infiziertes neuro-ischämisches diabetisches Fußulkus bei einem Patienten mit Herzinsuffizienz

-> KOMPLIZIERTES DIABETISCHES FUßGESCHWÜR

Nach dem SINBAD-Score hat dieses DFU folgende Punktzahl: …/6 ?

korrekte Antwort :

Nach dem SINBAD-Score hat dieses DFU hat eine Punktzahl: 5/6

(Ort (site): Vorfuß, Ischämie (ischemia): ja, Neuropathie (neuropathy): vorhanden, bakterielle Infektion (bacterial infection): ja, Fläche (area): >1cm2, Tiefe (depth): tiefer als Subkutis)

8.1 Behandlungsergebnis

Der Patient wurde nach 72 Stunden in ein Krankenhaus mit einem spezialisierten Fußbehandlungsteam eingewiesen.

Weitere Untersuchungen:

  • Transkutane Sauerstoffpartialdruckmessung (TcPO2)=13 mmHg (kann nicht immer sinnvoll durchgeführt werden!)
  • Duplex-Sonographie: Stenose der A. femoralis superficialis (AFS), A. poplitea, A. tibialis anterior (ATA) und A. tibialis posterior (ATP)
  • Röntgen: Unterbrechung der Kortikalis des Os metatarsale V und des Caput Os metatarsale V
  • IIID University of Texas Wund-Klassifikation
  • Grad 5/6 (schwer) DFU basierend auf der SINBAD-Klassifikation
8.2 Behandlungsergebnis

b) Überweisung innerhalb von 4 Tagen aufgrund einer Verschlechterung der Infektion (von der seitlichen/dorsalen Seite des Fußes in den Plantarbereich sich ausbreitend), die ein dringliches chirurgische Debridement erforderte

8.3 Behandlungsergebnis

c) Protokoll zum Erhalt der Extremität

  • Antibiotikatherapie (zunächst Breitspektrum-Antibiotikum, gefolgt von einem resitogrammgerechten Antibiotikum nach)
  • Chirurgische Behandlung: Sequestrektomie des Caput Os metatarsale V und teilweise des Os metatarsale V
  • Frühe Revaskularisation (perkutane transluminale Angioplastie der AFS, A. poplitea, ATA, ATP und A. dorsalis pedis)
  • Druckentlastung
8.4 Behandlungsergebnis

d) Rekonstruktive Schritte

  • Unterdruck-Wundbehandlung
  • Dermalersatz

 

8.5 Behandlungsergebnis

e) Letzte rekonstruktive Schritte:

  • Regelmäßige Debridement
  • Wundauflage: TLC-NOSF
  • Druckentlastung
  • Optimierung der Blutzuckereinstellung und des Ernährungszustandes
  • Einleitung einer Thrombozytenaggregationshemmung und Statintherapie

Follow-up in Zusammenarbeit mit dem Hausarzt

8.6 Behandlungsergebnis

f) Folgemaßnahmen:

  • Sekundäre Prävention durch diabetes-adaptiertes Maßschuhwerk mit individueller Weichbettung
  • Tägliche persönliche Fußinspektion
  • Regelmäßige Nachkontrollen durch ein spezialisiertes Fußbehandlungsteam (alle 1-3 Monate)

Nachsorge in Zusammenarbeit mit dem Hausarzt

 

 

9. wichtigste Erkenntnisse

1.Patienten und medizinische Fachkräfte sollten über das Risiko von Fußgeschwüren bei Menschen mit Diabetes geschult werden.

2.Ein solcher Fall eines komplizierten DFU erfordert eine frühzeitige Einweisung in ein Krankenhaus mit einem spezialisierten Fußbehandlungsteam. (Versuchen Sie, ein solches Zentrum in Ihrer Region zu finden!)

3.ein frühzeitiges Management von Infektion und Ischämie ist entscheidend, um Amputationen zu vermeiden und die Sterblichkeit zu reduzieren.

4.Co-Morbiditäten wie Herzinsuffizienz und eine fortgeschrittene Nierenerkrankung können die Prognose beeinflussen und sollten immer mitbeachtet werden. Der Ernährungs- und Depressionsstatus dürfen nicht übersehen werden.

5.Nach der akuten Phase und während der Nachsorge sollte ein spezialisiertes Fußbehandlungsteam mit den hausärztlichen Behandlern zusammenarbeiten, um die Heilung durch den Einsatz moderner Wundverbände und der richtigen Hilfsmittel zur Druckentlastung zu fördern, vorliegende Komorbiditäten zu behandeln und Rezidivulzerationen soweit möglich zu vermeiden.