ROTER FALL

ein 38-jähriger Mann

Diagnosestellung Typ 1 Diabetes mellitus im Alter von 12 Jahren, HbA1c-Werte größtenteils höher als 8,5%

stellt sich beim Allgemeinmediziner vor mit einer 48-stündigen Schmerzanamnese im linken Fuß als Folge einer Schürfwunde nach dem Tragen neuer Schuhe vor ungefähr einer Woche

ZIELE
  • Ein interaktives Fallszenario zur Verfügung stellen, welches die medizinische Fachkraft durch einen Beispielfall eines komplizierten diabetischen Fußulkus (DFU) führt
  • die Notwendigkeit eines ganzheitlichen Ansatzes zu bestärken
  • die Notwendigkeit bestärken, die Behandlungsstandards in der Versorgung des DFU zu berücksichtigen
  • die Notwendigkeit einer frühen Überweisung zu einer spezialisierten ambulanten Fußbehandlungseinrichtung oder einem stationärem multidisziplinären Fußbehandlungsteam zu bestärken
2. Anamnese

Welche Angaben in der Anamnese würden Sie beunruhigen?

die schnellere Verschlechterung innerhalb von 48 h? ja/nein

korrekte Antwort :

ja: Die rasante Entwicklung deutet darauf hin, dass sich das Ulkus sehr schnell verschlechtern wird

Schmerzen im Fuß trotz der Möglichkeit einer sensiblen Neuropathie im Fuß? Ja / Nein

korrekte Antwort :

ja: Solche Schmerzen bei einem Patienten mit Neuropathie weisen teilweise darauf hin, dass die Infektion oder Wunde tiefere Gewebsschichten betrifft

Die Entwicklung einer solchen Ulzeration nach dem Tragen neuer Schuhe lässt eine periphere Neuropathie möglich erscheinen. richtig / falsch

korrekte Antwort :

richtig: Der Patient hat wahrscheinlich eine Neuropathie, da er das anfängliche Reiben der neuen Schuhe nicht bemerkte

Das junge Alter des Patienten ist beruhigend, weil es mit einem geringeren Risiko für diabetische Fußkomplikationen einhergeht. richtig / falsch

korrekte Antwort :

Falsch: Das junge Alter verringert nicht das Risiko von Komplikationen. Im Gegenteil, er kann aufgrund der langen Dauer des Typ-1-Diabetes und der Notwendigkeit, aktiver und mobiler zu sein, ein höheres Komplikationsrisiko haben.

3. Klinische Untersuchungen

Welche Faktoren aus der Patientenuntersuchung würden Sie beunruhigen?

Der sich schnell ausbreitende Bereich von Erythem / Rötung und Nekrose. Ja /Nein

korrekte Antwort :

ja: Dies ist ein Hinweis auf eine signifikante Infektion und Anzeichen eines Gewebsuntergangs.

Fähigkeit, den darunter liegenden Knochen mit einem stumpfen Metallobjekt durch die Wunde zu berühren/zu sondieren. Ja /nein

korrekte Antwort :

ja: Dies deutet auf einen positiven "Probe-to-the-bone"-Test hin, da sich die Infektion auf den Knochen ausgedehnt hat und der Patient damit ein erhöhtes Risiko für eine Amputation hat.

 

Die Fähigkeit, alle Fußimpulse zu tasten, schließt eine signifikante Ischämie im Fuß aus. True / falsch

korrekte Antwort :

Falsch: Das Vorhandensein von Nekrosen oder eines Gewebsuntergangs sollte in diesem Fall die Ergebnisse von palpablen Fußpulsen in Frage stellen, da diese auch falsch positiv sein können.

das Vorhandensein einer früheren Amputation an der 2. Zehe oder am kontralateralen Fuß ist ein Hinweis darauf, dass der Patient ein erhöhtes Risiko für ein weiteres schwerwiegendes DFU hat. richtig/falsch

korrekte Antwort :

Richtig: Es ist immer wichtig, beide Füße zu untersuchen, da eine vorherige Amputation bedeuten würde, dass der Patient ein erhöhtes Risiko für eine weitere Amputation hat.

4. Ganzheitlicher Ansatz

Welche Faktoren aus der Patientengeschichte würden Sie beunruhigen?

die dauerhaft zu hohen HbA1c-Werte. Ja /Nein.

korrekte Antwort :

ja: dauerhaft zu hohe HbA1c-Werte können ein Indikator für Nicht-Akzeptanz und Verweigerung sein

die Anamnese mit Makro-Albuminurie und eine eGFR von 45 ml/min

korrekte Antwort :

ja: Der Verlauf eines DFU ist schwerwiegender in Fällen mit Diabetes-bedingten Nierenerkrankungen

die 8-jährige Nikotinanamnese Ja / Nein.

korrekte Antwort :

ja: Trotz seines jungen Alters kann der Nikotinabusus zusammen mit einem hohen LDL-Cholesterin und schlechter Diabeteskontrolle zu frühzeitig auftretenden Gefäßerkrankungen beitragen

die Anamnese mit psychosozialen Problemen Ja/Nein

korrekte Antwort :

ja: In dieser Situation wird die zugrunde liegende Depression oft übersehen. Ein ganzheitlicher Ansatz ist bei Patienten erforderlich, da sich die Anamnese mit psychosozialen Problemen auf die Nachsorge und die Compliance des Patienten auswirken kann.

5. Untersuchungen

Welche Untersuchungen würden Sie während der Konsultation des Patienten durchführen?

ein normaler Blutdruck, normale Körpertemperatur und Herzfrequenz sind beruhigend. richtig / falsch

korrekte Antwort :

Falsch: Patienten mit signifikanter Neuropathie müssen nicht immer eine systemische Reaktion auf eine Sepsis zeigen, wie es von den IDSA-Kriterien erwartet würde.

Erhöhte Blutzuckerwerte könnten ein Zeichen für systemischen Stress oder Infektion sein. richtig / falsch

korrekte Antwort :

Richtig: Die Körpertemperatur muss nicht erhöht sein und erhöhte Blutzuckerwerte können das einzige Anzeichen für eine sich entwickelnde Sepsis sein.

Es ist richtig, auf die Ergebnisse der Blutentnahme zu warten, bevor mit einer Behandlung begonnen wird. richtig /falsch

korrekte Antwort :

Falsch: Eine solches sich rapide verschlechternde DFU muss unverzüglich und ohne Verzögerung systemisch behandelt werden, ohne auf die Ergebnisse der Blutuntersuchungen zu warten.

Eine Röntgenaufnahme ist in diesem Fall erforderlich, um vor dem Beginn der Behandlung eine Osteomyelitis zu diagnostizieren bzw. vor Überweisung zu einem spezialisierten Fußteam. richtig / falsch.

korrekte Antwort :

Falsch: Obwohl eine Röntgenaufnahme nützlich sein könnte, sollte sie den Beginn der Behandlung oder die dringende Überweisung an ein spezialisiertes Fußteam nicht verzögern.

Gewebeproben für die Mikrobiologie müssen in diesem Fall gewonnen werden und das Ergebnis muss vor Einleitung einer Behandlung vorliegen. richtig / falsch

korrekte Antwort :

Falsch: Obwohl eine Gewebeprobe benötigt wird und nützlich wäre, sollte dies den  Behandlungsbeginn bei einem so schnell fortschreitenden DFU nicht verzögern.

6. klinischer Eindruck & Behandlungsplan

Wie ist der Gesamteindruck und wie sollte dieser Fall behandelt werden.

Dieser Fall oder dieses DFU benötigt eine sofortige Überweisung an ein spezialisiertes Fußbehandlungsteams innerhalb desselben Tages. richtig / falsch

korrekte Antwort :

Richtig: Dieser Patient muss sofort in ein Krankenhaus eingewiesen werden, wo noch am Aufnahmetag entsprechende Untersuchungen durchgeführt und eine  aggressive Behandlung begonnen wird. ( < 24 Stunden!)

Der Patient sollte ermutigt werden, den ulzerierten Fuß nicht zu belasten. richtig / falsch.

korrekte Antwort :

Richtig: Das Vorhandensein einer Osteomyelitis bedeutet auch ein erhöhtes Frakturrisiko der entzündeten und aufgeweichten Knochen mit anschließender Charcot-Deformität.

Als behandelnder Arzt muss man sicherstellen, dass der Patient noch am selben Tag von einem spezialisierten Fußteam oder in einer Notaufnahme gesehen wird, um eine schnelle Behandlung einzuleiten. richtig / falsch

korrekte Antwort :

Richtig: Man muss auf der Einweisung die Notwendigkeit einer dringenden Behandlung der Infektion, eine Notwendigkeit zur radiologischen Diagnostik und zur Überprüfung der Durchblutung des Fußes notieren.

Im Gesundheitswesen Tätige müssen ihre Einstellung ändern, um einen solchen ROTEN DFU-Fall genauso wichtig wie einen akuten Myokardinfarkt oder Schlaganfall wahr zu nehmen…

7. Diagnose und Wundklassifizierung

Was ist Ihre endgültige Diagnose und versuchen Sie, dieses DFU nach der SINBAD-Klassifikation zu klassifizieren

ein neuropathisches Ulkus? ein infiziertes neuropathisches Ulkus? ein infiziertes neuro-ischämisches Ulkus?

korrekte Antwort :

Dieses DFU ist ein infiziertes neuro-ischämisches Ulkus

  • Schweres komplizierte DFU
Nach dem SINBAD Score hat dieses DFU folgende Punktzahl: …/6 ?

korrekte Antwort :

Nach dem SINBAD Score hat dieses DFU folgende Punktzahl 5/6.

8.1.a Behandlungsergebnis

notfallmäßige chirurgische Inzision zur Drainage und Debridement von totem und infiziertem Gewebe.

Es ist wichtig, die Infektion und das tote Gewebe dringend operativ zu entfernen, daher rührt auch Notwendigkeit einer dringenden Einweisung in einem solchen Fall.

 

8.1.b Behandlungsergebnis

Fuß-Röntgen bei Aufnahme

Osteomyelitis des 5. Strahls. Das initiale Debridement umfasst Weichteile und Knochengewebe.

 

8.2.c Behandlungsergebnis

Nach dem initialen chirurgischen Debridement muss die Ischämie behandelt werden.

 

8.2.d Behandlungsergebnis

Dringende Behandlung von Ischämie

Der Patient zeigte einen chronischen Verschluss der A. tibialis anterior  (ATA) und posterior (PTA). Die A. fibularis war die einzige Arterie, die den Plantarbogen versorgte,

 

Nach der Angioplastie: Der Verschluss der ATA wurde mit langen Ballons (2x120 und 3x120) rekanlisiert, die ADP war anschließend wieder palpabel.

8.3.a Behandlungsergebnis

1. und 2. Monat: engmaschige Kontrollen, Anwendung von Unterdruck-Wundtherapie und Druckentlastung.

 

 

8.3.b Behandlungsergebnis

3. bis 4. Monat: Nach einer Arthroplastie an der 4. Zehe (konservative Operation), wurde ein Wundverschluss erreicht und eine Behandlung mit einer individuell angefertigten Orthese initiiert

 

 

8.4. Behandlungsergebnis

Follow-up:

  • Eine biomechanische Untersuchung zur individuellen Schuhversorgung könnte für die Sekundärprävention hilfreich sein.
  • Tägliche Fußinspektion
  • Regelmäßige Nachuntersuchungen bei einem Facharzt (monatlich)

 

 

9. wichtigste Erkenntnisse

1.Ein solcher Fall eines DFU erfordert eine schnelle Überweisung an ein Spezialisiertes Krankenhaus mit einem spezialisierten Fußbehandlungsteam.

2.als Erstes ist es wichtig, die schwere Infektion so früh wie möglich zu behandeln und die Ischämie anzugehen. Stoppen Sie die Infektion: "Zeit ist Gewebe"

3.Eine ausgeprägte Ischämie kann auch bei jungen Patienten vorhanden sein.

4.es ist wichtig, stets eine Ischämie zu vermuten, da klinischen Symptome fehlen können (einschließlich des Fehlens von Ruheschmerzen auch bei ausgeprägter Ischämie aufgrund der hohen Prävalenz einer Neuropathie)

5.Sorgen Sie für eine sehr zügige Überweisung an spezialisierte Zentren, wenn der Verdacht auf eine nekrotisierende Infektion besteht